Kolumne: Verbrennerpopulismus – Rückstand durch Technik (2024)

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Kolumne: Verbrennerpopulismus – Rückstand durch Technik (1)

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Der Werbespruch war so erfolgreich, dass er in die Popkultur einging. Der Titelsong des U2-Albums »Zooropa« von 1993 begann so: »Zooropa: Vorsprung durch Technik/ Zooropa: be all that you can be«. Auch in »Park Life« von Blur (1994) kam der Audi-Slogan vor. Er galt als Inbegriff des deutschen Hightech-Image der Neunziger: innovativ, geschmeidig, ultramodern.

In den vergangenen Jahren hat das Image Kratzer bekommen. Erst der Dieselskandal, dann die quälende, gefährliche Unentschlossenheit bei der Abkehr von einer Technologie, die sterben muss und wird: der Verbrennungsmotor. Klima- und gesundheitsschädlich, laut , anfällig, absurd ineffizient.

Verbrennermarkt schrumpft, E-Mobilität wächst exponentiell

Die Marke Audi scheint entschlossen, das Ideal »Vorsprung durch Technik« nicht aufzugeben. Audi-Vorstandschef Gernot Döllner will bis 2033 vollständig aus Benzin- und Dieselmotoren aussteigen. Die meisten in der Branche wissen, dass dem Elektroauto die Zukunft gehört: Verbrenner verkaufen sich weltweit seit 2017 und in Europa seit 2019 jedes Jahr schlechter. Elektromobilität dagegen wächst global, anderslautenden Behauptungen zum Trotz, weiterhin exponentiell.

Nur für BMW-Chef Oliver Zipse scheint die »Freude am Fahren« untrennbar mit dem Verbrenner verbunden zu sein: BMW stellt sich als einziger deutscher Hersteller gegen das EU-Ziel, ab 2035 nur noch Fahrzeuge neu zuzulassen, die CO₂-neutral unterwegs sind.

Mehr als acht Millionen Euro Parteispenden für die Verbrennerfans

Dabei ist BMW im E-Auto-Markt sogar erfolgreicher als die Konkurrenz, wie kürzlich in der »Wirtschaftswoche« nachzulesen war. »Geben Sie Ihren Widerstand gegen das Verbrenner-Aus 2035 auf, Herr Zipse. Es gibt den Herstellern die Planungssicherheit, die sie brauchen«, kommentierte die Zeitung.

Unterstützt wird BMW in dieser Haltung von der CDU. Zwischen der Partei und dem Hersteller bestehen seit Jahren enge – auch finanzielle – Verbindungen. Die Mitglieder der Familien Quandt und Klatten, denen Teile von BMW gehören, spendeten den Unionsparteien über die Jahre mehr als 3,7 Millionen Euro, wie man bei »Lobbypedia« nachsehen kann. Das Unternehmen BMW selbst spendete der Union über 2,8 Millionen Euro. Die FDP bekam mindestens 1,3 Millionen von den Klattens und den Quandts und knapp 720.000 Euro von BMW.

Vergangene Woche trieb dieser Schulterschluss von BMW und CDU eine besonders absurde Blüte. Mit einer Umfrage wollte die CDU belegen, dass eine überwältigende Mehrheit der Deutschen unbedingt am Verbrenner festhalten wolle. Dafür ließen sich CDU und CSU von einer Agentur eine Website mit der Adresse »ja-zum-auto.eu« einrichten. Dann verschickten die Parteien E-Mails an ihre Mitglieder – sie haben nach eigenen Angaben fast 570.000 davon.

Social Cards und Haustürbesuche

In dem Schreiben stand diese Aufforderung: »Teilen Sie unsere Auffassung, dass das Verbrenner-Verbot zurückgenommen werden muss? Dann zeigen Sie das und stimmen Sie auf unserer Seite www.ja-zum-auto.eu ab.« Auf der Website konnte man dazu mit »Ja« und »Nein« votieren. Weiter baten die Parteien in ihrer digitalen Wurfsendung: »Werben Sie bei Freunden und Bekannten für unsere gemeinsame Position.«

Auch über soziale Medien und mit »Haustürbesuchen« sollten Leute zum Abstimmen im Sinne der Unions-Position überredet werden. Der »Verbrenner-Motor« sei »wichtig für die Mobilität der Zukunft und für den Erhalt des Industriestandortes Deutschland«. Gleichzeitig stehe die Union aber »zu den Pariser Klimazielen«.

Spektakulär auf die Nase gefallen

Trotz aller Beeinflussungsversuche fiel die Union mit der Umfrage spektakulär auf die Nase. Am Samstagmorgen waren 145.000 Stimmen abgegeben worden, 86 Prozent davon wollten das Verbot behalten – das übrigens gar kein »Verbrenner-Verbot« ist und sich schon gar nicht gegen »Autos« an sich richtet, wie es der Webseitentitel suggerierte. Es soll lediglich die Neuzulassung von Autos beendet werden, die nicht CO₂-neutral angetrieben werden.

Prompt erklärte die Union, die Umfrage sei »manipuliert« worden. Das ist richtig: Die Union hatte immerhin selbst versucht, ein bestimmtes Ergebnis herbeizuführen, mit Massenmails, Postkarten und eigenen Social-Media-Bildchen. Was die Union meinte: Sie hatte die Umfrage offenbar technisch mangelhaft aufgesetzt, nämlich so, dass die Nutzer mehrfach abstimmen konnten.

»Diese Umfrage ist massiv manipuliert worden. Zehntausende Stimmen sind automatisiert abgegeben worden. Das ist völlig inakzeptabel. Die Umfrage ist daher abgeschaltet worden. Wir stehen als CDU für einen fairen Wahlkampf« steht auf der Website nun über der Umfrage, die inzwischen abgeschaltet ist. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach angesichts des Ergebnisses von »krimineller Energie«.

Lauter unerwünschte Ergebnisse

Die ebenfalls am Fortbestand fossiler Geschäftsmodelle interessierte »Bild«-Zeitung setzte flugs eine eigene Umfrage auf. Doch auch die führte zu einem überwältigenden »Ja« für »das Verbrenner-Aus«. Die Umfrage wurde von »Bild« klammheimlich abgeräumt und eine weitere nochmals tendenziösere aufgesetzt: Als Antwort, ob die Leser für das Verbrenner-Aus seien, konnten die Leser wählen zwischen »Ja, Benzin und Öl stinken«, oder »Nein. Ich hab’s weit und will mit meinem Auto auch ankommen.«

Trotzdem lag am Montagmorgen dieser Woche die Zustimmung zum »Verbrenner-Aus« bei fast 200.000 abgegebenen Stimmen bei 79 Prozent.

Weitere Umfragen zum gleichen Thema in der gleichen Woche:

  • »T-Online« (weniger tendenziös formuliert): 77.000 Stimmen, 79 Prozent pro »Verbrenner-Aus«

  • »FAZ«: 44.000 Stimmen, 75 Prozent gegen die Verbrenner.

  • »Wirtschaftswoche«: 5300 Stimmen, 91 Prozent für »die Zukunft gehört der E-Mobilität«.

  • »Tagesspiegel«: 31.500 Stimmen, 57 Prozent für das »Verbrenner-Aus«.

Wahrscheinlich zeichnet keine dieser Umfragen ein realistisches Bild von der Stimmungslage im Land. Entsprechende Umfragen von seriösen Marktforschungsinstituten deuteten darauf hin, dass sich viele Deutsche ein Leben ohne Verbrenner nicht vorstellen können.

Union und FDP sagen nicht die Wahrheit

CDU und FDP werben in der Debatte über den Antrieb der Zukunft stets um »Technologieoffenheit«. Die jüngsten Manöver beweisen, dass es ihnen darum nicht geht. Sondern darum, fossile Geschäftsmodelle und obsolete Motorentechnik zu erhalten.

Nun will die Union auch verhindern, dass sinkende CO₂-Flottengrenzwerte, wie von der EU vorgesehen, zu Strafzahlungen für Autofirmen führen, die diese Flottengrenzwerte reißen. Die FDP will die Flottengrenzwerte einem »Handelsblatt«-Bericht zufolge ganz abschaffen.

So zynisch wie kurzsichtig

Das Festhalten von Union und FDP am Verbrenner ist so zynisch wie kurzsichtig: Eine Vielzahl von Ländern hat ein Verbrennerende längst beschlossen, darunter einige der größten Volkswirtschaften der Welt.

Deutsche Autobauer sollten sich dringend darauf konzentrieren, nicht den Anschluss an die Konkurrenz aus China und den USA zu verlieren. BYD und Tesla haben 2023 mehr E-Autos hergestellt als alle Autokonzerne Europas zusammen. Protektionismus – wie die derzeit diskutierten Strafzölle für chinesische E-Autos – und Festhalten an sterbender Technik werden die deutsche Branche nicht retten.

Das haben – bis auf BMW, die CDU und die FDP – offenbar auch die meisten deutschen Hersteller verstanden. VW-Chef Oliver Blume fände es »fatal«, das Ende des CO₂-Motors in der EU wieder zu kassieren. Damit ist er nicht allein: Eine Abkehr vom sogenannten Verbrenner-Aus stößt in weiten Teilen der Automobilindustrie auf Unverständnis. »Wer damit wirbt, macht den Menschen etwas vor«, zitiert die »WiWo« einen »hochrangigen Manager eines deutschen Automobilkonzerns«.

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