Die Lage am Morgen - In Brüssel startet der EU-Gipfel. Auch über Kernkraft wird debattiert. Donald Trump sehnt Spenden herbei. (2024)

Diebstahl für die gute Sache

Vermutlich ist es der letzte EU-Gipfel vor der Europawahl, vermutlich wird wieder ein Thema die zweitägige Zusammenkunft dominieren: Die Frage, wie es Europa schafft, die Ukraine auch weiterhin massiv zu unterstützen, ohne dabei allzu müde zu werden.

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Heute beginnt das zweitägige Treffen der Staats- und Regierungschefs mit einem gemeinsamen Mittagessen mit Uno-Generalsekretär António Guterres.

Eine der Ideen: Die Zinsen aus den eingefrorenen Vermögenswerten der russischen Zentralbank – einen einstelligen Milliardenbetrag – nutzen, um damit Waffen, Munition und Ausrüstung für die Ukraine zu kaufen.

Viel reizvoller wäre es, gleich das gesamte sanktionierte Vermögen – rund 200 Milliarden Euro – dafür zu nutzen. Es wäre schmerzhaft für Wladimir Putin und damit wesentlich effektiver. Doch es gibt wohl rechtliche Bedenken, die gegen einen solchen Geldklau für die gute Sache sprechen.

Während in Deutschland ein erstaunlich heftiger und nicht immer nachvollziehbarer Multistreit entbrannt ist um die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus, um die Sicherheit militärischer Geheimgespräche, um Geheimnisverrat im Verteidigungsausschuss und um die Frage, wer verantwortlich dafür ist, wie viele Teilnehmer eine geheime Sitzung dieses Ausschusses besuchen, geht es in Brüssel um wichtige Fragen:

Schafft es die Europäische Union, sich auf eine gemeinsame Verteidigungspolitik zu einigen und auch darauf, woher das viele Geld dafür kommen soll? Über europäische Verteidigungsanleihen, wie es Charles Michel, der Präsident des Europäischen Rates im SPIEGEL vorschlug? Über ein neues Mandat für die Europäische Investitionsbank, wie es unter anderem die Deutschen in Erwägung ziehen?

Es wird ein spannender Gipfel, auch weil er eine Lösung finden muss, um die allerorten protestierenden Bauern wieder einzufangen und sich auf eine Sprachregelung für das Leid in Gaza einigen muss.

Ein EU-Gipfel aber wäre kein EU-Gipfel, ginge es dabei nicht auch viel und ausgiebig um die EU selbst. Etwa, ob sich die Mitgliedstaaten dazu durchringen können, einer weiteren Vergrößerung zuzustimmen und Bosnien-Herzegowina endlich Beitrittsverhandlungen anzubieten. Es wäre an der Zeit.

  • Mehr zum Taurus-Komplex: SPD wirft Strack-Zimmermann »Großkotz«-Attitüde vor

Gipfel mit Ausstrahlung

Parallel zum Europäischen Rat findet in Brüssel noch ein zweites Treffen ähnlicher Art statt: Belgiens Premierminister Alexander De Croo und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) laden zum ersten Atomenergiegipfel ein. Ziel ist, die Kernenergie als Unterstützerin für mehr Klimaschutz zu begreifen. Oder anders gesagt: Es ist ein Programm gegen die deutsche Anti-Atomkraft-Haltung.

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Ich finde weniger den Gipfel interessant als die Rolle der IAEA. Waren doch IAEA-Chef Rafael Grossi und seine Leute bislang durch ihre Besuche im von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerk Saporischschja einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden, ihre steten Warnungen vor einer möglichen nuklearen Katastrophe. Nicht zu vergessen, die jahrelange Auseinandersetzung mit Iran und den Versuchen, dort den Bau einer Atombombe durch enge Kontrollen der IAEA zu verhindern. Verlorene Liebesmüh, wie es scheint.

Nahezu unbemerkt blieb, dass die IAEA keine neutrale Behörde ist. In ihrer Satzung steht das klare Ziel, »den Beitrag der Kernenergie zu Frieden, Gesundheit und Wohlstand weltweit« zu beschleunigen und zu vergrößern. Die IAEA hofft, dass sich die Kernkraftkapazität weltweit bis 2050 auf 890 Gigawatt mehr als verdoppeln wird.

Wie das geschehen könnte, damit wird sich der Gipfel wohl auseinandersetzen. Vermutlich ohne rege deutsche Beteiligung.

  • Mehr zum Thema: Iran entzieht Inspektoren aus Deutschland und Frankreich die Akkreditierung

Trump bettelt um Spenden

»Lasst Eure dreckigen Hände vom Trump Tower«, mit dieser Botschaft war gestern eine Art Bettelbrief versehen, mit dem das Team um Präsidentschaftskandidat Donald Trump um großzügige Spenden bittet. Beträge zwischen 20,24 und 3300 Dollar werden vorgeschlagen (mehr dazu lesen Sie hier).

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Das Werben um Spenden hat einen ernsthaften Hintergrund: Kürzlich mussten Trumps Anwälte bekannt geben, dass ihr Mandant nicht in der Lage sei, die Garantie für die Zahlung einer Geldstrafe aus einem Betrugsprozess in Höhe von mehr als 450 Millionen Dollar vorzuweisen. Trotz Verhandlungen mit rund 30 Firmen wollte keine eine Bürgschaft für diese Summe zusagen, teilten die Anwälte mit.

Trump war in einem Zivilprozess in New York wegen Betrugs verurteilt worden, weil er mit seiner »Trump Organization« Bilanzen gefälscht hatte.

Der Ex-Präsident hat angekündigt, in Berufung zu gehen. Trotzdem muss er binnen 30 Tagen die komplette Summe zahlen oder eine Bürgschaft hinterlegen. Andernfalls droht ihm der Einzug von Vermögenswerten.

Ob ihm der Spendenaufruf aus diesem Schlamassel heraushilft? Ich habe meine Zweifel.

  • Mehr Hintergründe: Wie klamm ist Donald Trump?

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Gewinnerin des Tages …

… ist Sylvia Pfefferkorn, die sich mit vielen anderen im Verein »Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen« engagiert, und das schon seit gut sieben Jahren.

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Damals hätten sie gerade mal das Minimum an Mitgliedsunternehmen zusammenbekommen, hat Pfefferkorn meiner Kollegin Claudia Witte vom manager magazin erzählt, heute zählt der Verein mehr als 110 Unternehmen als seine Mitglieder. Es gehe darum, ein Zeichen zu setzen, Flagge zu zeigen, aber auch darum, gegen die politische Polarisierung innerhalb der Betriebe anzukämpfen, zum Beispiel mit Rollenspielen.

Es hat lange gedauert, bis auch die Unternehmen in Deutschland begriffen haben, wie schädlich eine Politik der Abschottung, wie sie die AfD propagiert, für sie wäre. Noch länger hat es gedauert, bis sie sich öffentlich gegen diese politischen Ideen positioniert haben. Sylvia Pfefferkorn hat daran ihren Anteil.

  • Mehr zum Thema: Wie sich Unternehmer in Sachsen gegen die Radikalisierung ihrer Belegschaft stemmen

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • US-Kongress entscheidet frühestens in zwei Wochen über Ukrainehilfe: Seit Monaten wartet die Ukraine darauf, dass der US-Kongress die versprochenen Hilfsgelder freigibt. Jetzt macht dieser erst mal Pause. Vier EU-Länder sind weniger zögerlich.

  • Robinho muss in Brasilien ins Gefängnis: Vor Jahren wurde der Fußballstar Robinho in Italien wegen einer Vergewaltigung zu einer Haftstrafe verurteilt, bisher hielt er sich frei in Brasilien auf. Nun haben die italienischen Behörden erwirkt, dass er die Strafe in dem Land absitzen muss.

  • Trio überfällt Bank – FBI spricht von »kleinen Strolchen«: Sie überreichten am Schalter eine »Drohnachricht« und entkamen mit Bargeld: In Texas hat ein Trio eine Bank beraubt. Bemerkenswert ist das Alter der Verdächtigen – ebenso wie der launige Ton der Ermittler.

Diesen Text möchte ich Ihnen heute besonders empfehlen:

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Ranzig, stichig, schlammig – die Qualität von Olivenöl ist laut Stiftung Warentest drastisch gesunken. Verbraucher können nicht einmal mehr auf die höchste Güteklasse »nativ extra« vertrauen. Im Test fielen sechs von 23 Ölen durch. Schuld ist der Klimawandel.

Ich wünsche Ihnen einen wohltuenden Donnerstag!

Ihr Martin Knobbe, Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros

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